Bauern geben bei der Erntekorbübergabe einen aktuellen Situarionsbericht des Berufsstandes
Der Bauernverband Nordharz e.V. hat bei der Übergabe des Erntekorbes an Landrat Thomas Balcerowski in Halberstadt die Bedeutung regional erzeugter Lebensmittel hervorgehoben. „Der von der Agrargenossenschaft Ditfurt gefüllte Korb ist sehr landwirtschaftlich unterwegs und steht symbolisch für die Vielfalt bäuerlich erzeugter Lebensmittel im Harzkreis“, sagte Diana Borchert. Die Geschäftsführerin des Bauernverband Nordharz e.V. wurde von Dr. Axel Neumann (Apro Langeln), Karsten Zein (Freudenberg Zein GbR Lüttgenrode) sowie Brockenbauer Uwe Thielecke begleitet. In dem mit Weizengarben geschmückten Korb zeugten neben Kartoffeln, Zwiebeln, Gurken und Paprika, auch Kürbisse, Bohnen, Wirsingkohl, Rote Beete sowie verschiedene Gewürze von der Wirtschaftskraft der Bauern in der Region. Landrat Thomas Balcerowski war begeistert. „Die Harzer Landwirtschaft ist ein wichtiger Partner für die Versorgung unserer Bevölkerung“, sagt er.
Von dem Erntekorb profitiert die Freie Ganztagsschule in Neinstedt. Dort werden die Lebensmittel, wie Diana Borchert bei der Übergabe im Schulgartens erfuhr, in der schuleigenen Küche zu schmackhaften Gerichten verarbeitet. Der Erntekorb füllt einen Teil der Lücke, die der Hagel kürzlich im Schulgarten gerissen hat. Ein Teil der Ernte war vernichtet worden.
Das Gespräch mit dem Landrat nutzen die Vertreter des Bauernverband Nordharz e.V. für einen Situationsbericht des Berufsstandes. „Ein Blick auf die aktuelle Ernte zeigt, dass sowohl die Qualitäten als auch die Erträge hinter den Erwartungen der Bauern zurückbleiben“, unterstreicht Diana Borchert. So liege etwa die Getreideernte trotz besserer Erträge deutlich unter dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Frühzeitiger Erntebeginn im Juni und das rasche Abreifen der Früchte durch hohe Temperaturen und unzureichende Niederschläge seien die Gründe, so Borchert. Sorgen bereitet den Bauern zudem wieder die Zunahme der Feldmäuse. Die gesamt landwirtschaftliche Nutzfläche im Landkreis Harz beträgt 100 618 Hektar (Quelle: Anbau 2022 nach Antrag Direktzahlungen).
Bei den Herbstfrüchten rechnen die Landwirte mit geringeren Erträgen als im Vorjahr. „Proberodungen bei Zuckerrüben lassen einen Hektarertrag von 25 bis 30 Tonnen erwarten. 2021 waren es 70 Tonnen“, rechnet Diana Borchert vor. Beim Mais wurden in der gerade abgeschlossenen Ernte die Erwartungen nicht erfüllt. Teilweise hatten die Pflanzen nicht einmal einen Kolben. Das führt zu einer Futterknappheit, zumal Reserven an Futter nicht aufgebaut werden konnten. „Generell sind die durch die Trockenheit geringeren Erträge mit einer Futtermittelknappheit und damit einer Reduzierung des Tierbestandes verbunden“, erklärt Dr. Axel Naumann. Futter aus anderen Regionen zu beschaffen sei nicht rentabel, fügt
er hinzu.
Auch wenn sich dem Milchmarkt die angespannte Situation der Vorjahre trotz rückläufiger Milchmengen etwas erholt, rechnen die Harzer Milchbauern langfristig mit weiterem Betriebssterben. Aktuell sei die Besetzung mit Personal problematisch. Außerdem sei nicht abzuschätzen, wie sich die Milchverarbeitung in den mit Gas verarbeitenden Molkereien auf Grund der Gas Krise entwickelt. Überhaupt sei eine Energiesicherheit für die Landwirte unerlässlich, so auch beispielsweise für die Produktion des Hauptdüngemittels Harnstoff und dessen Nebenprodukt AdBlue. Ist Harnstoff in nur geringen Mengen im nächsten Jahr vorhanden, ist jetzt schon abzusehen, dass die Erträge und die entsprechenden Qualitäten geringer ausfallen werden. Besorgniserregend ist im Harzkreis außerdem die Lage am Schweinemarkt. Sie sei durch die schwache Nachfrage, wegbrechende Märkte und Tiefstpreise katastrophal.
„Wir wollen am Ende wirtschaftlich überleben, wünschen uns aber mehr Verständnis für die Belange der Landwirtschaft“, fasst Diana Borchert zusammen. Landrat Thomas Balcerowski versicherte dem Vorstand des Bauernverband Nordharz e.V. im Gespräch, dass den Landwirten in der Region eine wichtige Rolle bei der Ernährung der Bevölkerung zu kommt.
„Vor dem aktuell tobenden weltweiten Energie- und Wirtschaftskrieg sind sie unerlässlich für die Lebensmittelversorgung vor Ort“, hob Balcerowski hervor. Der Harzkreis wolle vorbereitet sein, wenn Lebensmittel knapp werden. „Wir werden sie mit regionalen Erzeugnissen aus unserem Portfolio unterstützen“, erklärte Diana Borchert.
Die Landwirtschaft in Deutschland muss erhalten werden. Allerdings führen politisch bestimmte Auflagen, wie etwa die geplanten Einschränkungen bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln oder die beschränkte Ausbringung von Düngemittel, bei den Landwirten zu massiven Problemen“, unterstrich Diana Borchert und lenkte den Fokus auf die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln.
Die Versorgungssicherheit und der Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln und Rohstoffen in Deutschland nehmen stetig ab. „Vor dem Hintergrund von weltweiten Ernährungskrisen haben wir in Deutschland eine überregionale und ethische Verantwortung für eine produktive Nahrungsmittel- und Rohstofferzeugung“, hob Diana Borchert hervor. Ernährungskrisen fangen mittlerweile im Inland an, wenn sich Einwohner nicht mehr ausreichend ernähren können und auf externe Unterstützungsmaßnahmen wie die Tafeln angewiesen sind. „In einer Gunstlage für die Urproduktion, wie wir sie hierzulande glücklicherweise haben, Produktionspotential nicht auszuschöpfen, faktisch still zulegen und freiwillig Nutzungsverzicht zu praktizieren, ist moralisch bedenklich“, ergänzt sie im Gespräch mit dem Landrat.
Ein weiteres Gesprächsthema waren Photovoltaik, Windkraft und erneuerbare Energien. „Wir brauchen einen gesunden Energiemix aus Wind, Sonne und Bio“, erklärte der Landrat. Thomas Balcerowski bat den Bauernverband um Hilfe „bei der Befürwortung von Windenergie“. Ihm sei bewusst, dass Windkraft sowie Photovoltaik auf Acker- oder Waldflächen die Landwirte spaltet. Doch der Schritt zu alternativen Energien sei für die künftige Energiesicherheit unerlässlich, so der Landrat. Am wichtigsten ist Thomas Balcerowski, dass die Wertschöpfung im Landkreis bleibt. Aktuell attackieren Investoren nach Aussagen
von Dr. Axel Naumann den Bodenmarkt mit der Zahlung horrender Pachten.
Text / Foto: M. Randhahn-Schülke LK Harz