Mit Erbsenfenstern zur Artenvielfalt

Erbsenfenster im Mais
Erbsenfenster in Mais

Die Erbse als Fenster, was für ein Märchengedanke. In Realität verfolgt Nadine Börns diesen Gedanken schon etwas länger und beschloss im Frühjahr 2024 die Umsetzung der Erbsenfenster in ihrem Betrieb. Sie ist Chefin ihres eigenen Landwirtschaftsbetriebes in Wegeleben im Harzvorland. 150 Hektar Ackerland bewirtschaftet sie mit ihrem Verlobten Nils Krawczyk. Der Betrieb läuft im Nebenerwerb, denn beide sind berufstätig. Nadine Börns ist Acker- und Pflanzenbaureferentin beim Bauernverband Sachsen-Anhalt und Nils Krawczyk arbeitet als Pflanzenbauberater bei der AGRAVIS. Das junge Paar baut seit diesem Frühjahr Erbsen an, die auch auf dem Acker ausreifen dürfen. Aber die Hülsenfrüchte sollen keinesfalls als Test für Vornehmheit unter den Matratzen liegen, wie in Andersens Märchen oder irgendwie anders verwendet werden. Die Pflanzen, ihre Schoten und auch die runden Erbsen bleiben als Nahrung, Deckung und Nest für Insekten, Vögel und Niederwild bis in den Herbst auf dem Feld. Es handelt sich um sogenannte Erbsenfenster, die in Schlägen mit anderen Ackerkulturen platziert werden. Sie sind eine der Maßnahmen, die mit der Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt umgesetzt werden.

Um Feldhamstern, Rotmilanen und Insekten einen natürlichen Lebensraum zu bieten, geht das Land Sachsen-Anhalt seit 2020 neue Wege in der Agrarförderung. Biodiversitätsfördernde Maßnahmen auf Ackerflächen werden jetzt in fünf Regionen im Rahmen von Naturkooperativen gefördert. Eine davon ist die Naturkooperative Nordharz, wozu auch der Landwirtschaftsbetrieb Nadine Börns gehört. Sie und ihr Partner haben sich für die Maßnahme „KN 10-Erbsenfenster“ entschieden. Fünf Erbsenfenster, die jeweils 1700 Quadratmeter groß sind, befinden sich jetzt im Maisacker.

Der Mais wurde wegen der Nässe erst spät, am 13. Mai gelegt und ist jetzt etwa 50 Zentimeter groß. Die Erbsen bilden eine blühende, gewachsene grüne Matte mit ersten Schoten. Hoch oben schweben drei Rotmilane, Insekten brummen in den Erbsenblüten, zwei Feldlerchen fliegen auf. Krawczyk erzählt: „Vor allem Feldhasen sehen wir jetzt wieder öfter. Hamster soll es auch geben, sagen die Älteren im Ort.“ Kein Wunder, ist doch der Tisch nun noch reicher gedeckt, perfekter Sichtschutz auch für alle Bodenbrüter vorhanden und mit dem nahen Kiessee auch Wasser in der Nähe. Außerdem ist das Vogelschutzgebiet Hakel gleich nebenan.

Die beiden jungen Landwirte finden Erbsenfenster als Naturschutzmaßnahme perfekt. Als Gründe fügen sie an, dass man sie ohne großen Aufwand umsetzen kann, dass sie aus der Praxis entwickelt und angepasst wurden. Börns erklärt: „Die Erbsenfenster passen gut zwischen zwei Fahrgassen, wir kommen links und rechts gut vorbei. Christian Apprecht von der Stiftung hat uns gut beraten. Bei anderen Agrar-Umwelt-Klima-Maßnahmen wird man oft allein gelassen.“ Krawczyk fasst es zusammen: „Das ist Bombe – das kann jeder! Wir haben die Fenster an einem Sonntagnachmittag ausgemessen und fertig gedrillt – mehr machen wir damit ja nicht.“ Bewirtschaftungsmaßnahmen sind auf den Fenstern bis 15. August verboten.

Der Mais bekam am 13. Juni eine Herbizidspritzung, die Erbsenfenster sind großzügig rausgemessen und im Computer der Spritze hinterlegt. Die Junglandwirte haben die geforderten 1600 Quadratmeter von vornherein auf 1700 erhöht, um zum Beispiel Unsauberheiten beim Abdrillen ausgleichen zu können – es sind ihre ersten Erbsenfenster, demnach war die Aussaat auch aus technischer Sicht extrem spannend. Solche Maßnahmen werden vom Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten kontrolliert, gibt es doch eine Prämie von knapp 300€ pro Fenster. Außer den Erbsenfenstern kann man auch Streifen von extensiv angebautem Wintergetreide anlegen, Sommergetreide anbauen, extensive Sommergetreidestreifen mit Untersaaten einfügen oder zum Feldhamsterschutz nur die Ähren ernten. Krawczyk hätte für die vielen Radfahrer gern ein Schild aufgestellt, damit sie lesen könnten, was die Landwirte hier für die Natur tun.

Natürlich haben am Wedderstedter Weg auch die Erbsen, wie auch der Mais ringsherum, vom Regen im Mai und Juni profitiert. Es wächst alles sehr gut, der Mais wird bald kein Licht mehr auf den Boden lassen. Auch die Feldraine und die Feldränder bieten durch ihren dichten Bewuchs gute Deckung für verschiedene Tiere. „Solange es kein Problemunkräuter, wie bspw. die Diestelnester dort gibt, wird die Feldrandpflege erst nach der Ernte durchgeführt“, sagt Nadine Börns bestimmt, „denn wenn wir dann mulchen, zerstören wir keinen Rückzugsraum sondern schaffen durch gezielte Pflege neue Lebensräume fürs kommende Frühjahr.“

 

Zusatzinformationen

Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt: Seit Jahrhunderten prägen vor allem unsere Landwirte ökologisch wertvolle Kulturlandschaften. Sie erhalten und pflegen auf diese Weise wichtige Lebensräume. Natur- und Umweltschutz kann deshalb nur mit der Landwirtschaft gelingen. Deshalb erarbeitet die von den Bauernverbänden im Land gegründete Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt langfristig angelegte, praxisnahe sowie ökologisch und ökonomisch tragfähige Projekte und engagiert sich gemeinsam mit den Landwirten für ihre Umsetzung.

Naturschutzkooperative: In den Naturkooperativen arbeiten mehrere Landwirtschaftsbetriebe zusammen. Sie platzieren die biodiversitätsfördernden Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen betriebsübergreifend so, dass sie die größte Wirkung für die Zielarten entfalten. Zielarten sind der Feldhamster, der Rotmilan, seltene Ackerwildkräuter und Insekten. Als Grundlage dient ein regionaler Naturschutzfachplan, der mit den Naturschutzbehörden abgestimmt wird. Die Landwirtinnen und Landwirte bringen sich mit ihrem fachlichen Wissen und regionalen Kenntnissen zu Zielarten ein und setzen die Maßnahmen um.

Foto / Text: B.Ilse

Landwirte Nils Krawczyk & Nadine Börns