Aus Haupterwerb wird Nebenerwerb - Betriebsübergabe an die fünfte Generation Landwirte im Vorharz
„Nein, das wird heute nichts. Zu nass.“ Sie freut sich mehr, als dass sie sich über den unnötigen Aufwand am heutigen Nachmittag ärgert. Nebenerwerbslandwirtin Nadine Börns hätte gern heute den letzten E-Weizen ins Feld bei Wegeleben gedrillt aber es hat gestern endlich einmal satte 18mm geregnet. Sie zerpflückt die groben Erdkrumen mit den Händen. „Das muss dann wohl noch ein paar Tage warten.“ Ihr Freund Nils Krawczyk hat eine kleine Runde mit dem Grubber gedreht, eigentlich um das Saatbett vorzubereiten. Aber die Räder und Schare sind jetzt schon total verklebt mit der guten Harzvorlanderde. Er steigt mit Dackel Hilda auf dem Arm aus dem Traktor, setzt sie ab und resümiert: „250mm Niederschlag insgesamt vom 1.Januar bis zum 19.Oktober; das ist viel zu wenig. 120mmm davon kamen erst im Juni runter. Das ist jetzt das fünfte, zu trockene Jahr in Folge. Außerdem zieht der viele Wind hier zusätzlich Feuchtigkeit aus dem Boden.“ Gemeinsam schauen sie zum hellen Streifen am Horizont mit Brocken hinter der Silhouette von Halberstadt. Der Harz sähe immer schön aus, aber dort bliebe der Regen hängen, meinen die jungen Landwirte.
Die 27-jährige Nadine Börns hat in diesem Bauernwirtschaftsjahr, also zum 1. Juli 2022, den Haupterwerbsbetrieb der Eltern als Nebenerwerbsbetrieb übernommen: Aus dem „Landwirtschaftsbetrieb Werner Börns“ wurde der „Landwirtschaftsbetrieb Nadine Börns“.
Die 27-jährige Betriebsinhaberin antwortet ganz prägnant auf die Frage, seit wann sie in der elterlichen Landwirtschaft mitarbeite: „Schon immer.“ Die studierte Landwirtin ist in dem Betrieb in Wegeleben groß geworden und Bäuerin in fünfter Generation. Werner Börns hat bis 1999 noch einen landwirtschaftlichen Betrieb in Niedersachsen geführt, ihn dann verkauft und sich auf Wegeleben konzentriert. Er wollte die Betriebsübergabe schon vor einem Jahr, damit er sich mehr mit seinen Immobilien beschäftigen kann. Aber da waren die jungen Leute noch nicht ganz bereit dafür; neu im Job und so weiter.
Auch der 30-jährige Nils Krawczyk, den Nadine während des Studiums in Bernburg kennengelernt hat, hat Landwirtschaft studiert und absolviert im Moment berufsbegleitend den Masterstudiengang in Bernburg. Sein Vollzeitjob ist Pflanzenbauberater mit dem Schwerpunkt Digitalisierung bei der Agravis Niedersachsen Süd GmbH. Nadine Börns ist Fachreferentin für Acker- und Pflanzenbau beim Bauernverband Sachsen-Anhalt.
150 Hektar Acker rund um Wegeleben bewirtschaften die beiden nebenher, heißt nach Feierabend, am Wochenende und im Urlaub. Außer Erntetechnik und Maisleger, ist an Maschinen alles vorhanden. Rüben, Mais, Getreide und Raps werden von Betriebsnachbarn in Lohnarbeit geerntet. Beim Ernteabfahren sind die jungen Landwirte natürlich dabei.
Ganz wichtig ist allen Beteiligten der Zusammenhalt innerhalb der Familie. Nadines Eltern, Werner und Martina Börns, helfen wo Hilfe nötig ist. Die Mutter erledigt nach wie vor die Buchhaltung des landwirtschaftlichen Betriebes, managt die Ernteversorgung und der ehemalige Chef macht Fuhren mit dem Oldtimer-Traktor und kümmert sich um alles was tagsüber, wenn die Kinder bei der Arbeit sind, zu erledigen ist.
Der Betrieb ist ein normaler konventioneller Marktfruchtbetrieb. Angebaut werden Zuckerrüben, Mais, Winterweizen, Winterraps, Wintergerste und Sommergerste in Herbstaussaat. Die Feld-Hof-Entfernung liegt bei durchschnittlich 2,5 Kilometern. Die Durchschnittsgröße der Flächen beträgt 15Hektar; der größte Schlag umfasst 70Hektar.
Seit vier Jahren wohnt das Paar in Quedlinburg; das sind 15Kilometer vom Wirtschaftshof in Wegeleben entfernt. Aber ihr zukünftiger Wohnort soll das kleine Vorharzstädchen Wegeleben östlich von Halberstadt sein.
Zum Stichwort Betriebsübergabe sagt die junge Bäuerin: „Ich hoffe, wir sind fertig. Es war doch ordentlich Papierkram zu erledigen, viele Unterlagen zusammenzutragen, Banken, Versicherungen, Krankenkasse … Wir haben mit den Verpächtern gesprochen und so weiter.“
Landwirt Nils Krawczyk blickt nach vorn: „Wir probieren gern etwas aus und auch wenn wir ein konventionell wirtschaftender Betrieb sind, setzen wir auf Nachhaltigkeit.“
Er meint zum Beispiel von ihnen durchgeführte Rübenversuche mit Biostimulanzien oder die exakte Ausbringung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie den optimalen Zeitpunkt dafür. Nadine Börns Leitgedanke dazu ist: „So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich.“
Und sie ergänzt, dass es auch nicht nachhaltig wäre, heute Weizen in den nassen, klumpigen Boden zu drillen. Da würden viele Körner irgendwo an der Maschine kleben bleiben.
Und so gibt es an diesem lauen Oktoberabend einfach Kaffee aus der Thermoskanne und Kuchen auf dem Traktorgewicht, ehe es wieder zurück zum Hof geht. Dackeldame Hilda erforscht derweil jedes Mauseloch auf dem Streifen Brachland an der Straße vor dem Wegelebener Ortsschild. Nils Krawczyk mit einem Stück Bienenstich in der Hand und dem Blick auf seine lächelnde Freundin, Hund und Acker schließt unser Gespräch ab: „Ich glaube, wir haben alles richtig gemacht!“
Foto/Text: Barbara Ilse