Harzer Bauern mit Politikern im Gespräch Vorgaben und Gesetze in der Praxis oft hinderlich

Harzer Bauern im Gespräch

„Wird unsere Landwirtschaft noch gebraucht?“ lautete die Frage von Wilfried Feuerstack, Vorsitzender des Bauernverbandes Nordharz e.V., mit der er das „Bauernfrühstück“ in Tanne vor kurzem eröffnete.

Zu diesen Gesprächsrunden kommen in unregelmäßigen Abständen Politiker und Landwirte in ungezwungener Atmosphäre da oder dort im Harz zusammen, um über aktuelle landwirtschaftliche Themen zu sprechen. Diesmal war Brockenbauer Uwe Thielecke der Gastgeber der Frühstücksrunde mit genau 23 Diskussionsteilnehmern. Landes- und Bundespolitiker trafen auf sehr unzufriedene Landwirte, die über unberechenbare politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, widersprüchliche Vorgaben sowie ansteigende Bürokratie mit ausufernden ordnungsrechtlichen Kontrollmechanismen sehr ärgerlich sind. Man spräche ihnen, den gelernten und studierten Landwirten damit jegliche Fachkompetenz ab, hieß es oftmals von den Landwirten in der Runde.

Wilfried Feuerstack hatte Vertreter aller Parteien zu dem Treffen eingeladen, welches genau auf seinen Geburtstag fiel. Diana Borchert, Geschäftsführerin des Verbandes gratulierte ihm im Namen der Anwesenden. „Soviel Gäste hatte ich noch nie zu meinem Geburtstagsfrühstück“, eröffnete Feuerstack die Runde, „Herzlich willkommen beim Brockenbauer!“ Vertreter aller regierenden Parteien, außer der FDP, waren der Einladung gefolgt: Bundestagsabgeordnete Heike Bremer (CDU), Frank Damsch (SPD), Thomas Krüger und Alexander Räuscher (beide CDU), Susann Szibora-Seidlitz (Bündnis 90 Die Grünen), Kerstin Eisenreich (Die Linke), Hannes Loth und Frank-Ronald Bischoff (beide AfD).

Feuerstack leitete mit ein paar kurzen Worten zu Globalisierung in der Landwirtschaft und dem aggressiver werdenden Wettbewerb ein, sprach über gestörte Lieferketten bei Material, Energie, Rohstoffen und Nahrungsmittel und leitete über zu den Auffassungen und Plänen der deutschen Politik, auch der EU und der Gesellschaft. „Vieles davon scheint unlogisch und unverständlich“, folgerte Feuerstack und stellte an alle die provokante Frage: „Wird unsere Landwirtschaft noch gebraucht?“

Die politisch Verantwortlichen aller Parteien waren sich einig: Natürlich! Der Anteil heimscher Produkte soll sich weiter erhöhen! Die hiesige landwirtschaftliche Produktion ist wichtig für die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln! Bei unseren Lebensmitteln kann man sich sicher sein, dass die Qualität gut ist!

Heike Bremer, Mitglied des Bundestages für die Kreise Harz und Salzland, fasste es so zusammen: „Wozu muss Rindfleisch aus Brasilien kommen, wenn wir hier so gutes zum Frühstück haben können?“ Dabei zeigte sie auf die mit leckerem Kräuterschinken vom Harzer Roten Höhenvieh belegten Brötchen, die Familie Thielecke zum Bauernfrühstück serviert hatte. Ausgebremste Düngemittelproduktion, Energiekrise – Heike Bremer unterstreicht: „Unsere Landwirtschaft braucht mehr Sicherheit, um verlässlich planen und davon auch leben zu können.“ Sie meint, dass die EU mit ihren Vorschriften vieles „verschlimmbessere“.

Hausherr Uwe Thielecke: „Wir haben hier mit Geldern vom Land und der EU eine aussterbende Rasse, das Harzer rote Höhenvieh, am Leben erhalten. Auf 600 Hektar Harzwiesen betreiben wir Landschaftspflege; dazu kommen Direktvermarktung und Tourismus. Zum Tierschutzpreis bekamen wir jetzt noch den deutschen Bioökonomiepreis. Dafür haben wir die ersten Jahre 365 Tage im Jahr und mit unseren Töchtern rund um die Uhr gearbeitet. Was mir fehlt ist die Wertschätzung der Landwirtschaft. Sie muss nicht nur gewünscht sein, sondern sie ist notwendig und wir müssen mehr als vier bis fünf Jahre vorausplanen können.“

Lutz Trautmann von der Agrargenossenschaft Hedersleben hatte ein böses Beispiel parat: Die evangelische Kirche hätte bei Halberstadt 11Hektar erntereifen Weizen umpflügen lassen, um Photovoltaikanlagen bauen zu können. Trautmann verallgemeinerte und meint, es wäre genügend Essen und Geld für alle da, es liege nur am Willen und der Verteilung. „Wir Bauern denken nachhaltig und für Generationen“, fügte er hinzu.

Thielecke erzählte auch noch etwas seltsam Anmutendes: Er hätte eine Nachfrage nach Biofutter für Hunde gehabt: „Ein Biofutterhersteller wollte alle drei Wochen drei Tonnen schieres Rindfleisch für Hundefutter. Das kann ich nicht liefern aber es scheint keinen Hunger in der Welt zu geben!“

Weiterhin ging es in der Gesprächsrunde um den Wolf und dessen ungehinderte Ausbreitung. Die Bauern monierten die steigenden Gebühren, die Bürokratie und die Verwaltungsgebühren der Wasserunterhaltungsverbände. Das in die Kritik geratene Grundwassermessstellennetz war Thema und es ging auch um Überschwemmungen landwirtschaftlicher Flächen durch plötzliche Talsperrenöffnungen. Mit dem aktuellen Wassergesetz ginge die Politik an der Praxis vorbei, hieß es einem der betroffenen Landwirte, Klaus-Uwe Marlow aus Ditfurt. Weiterhin behandelte man die Tierwohlinitiative, die bei den Schweinehaltern zu hohen Investitionskosten geführt hätte, aber vom Verbraucher nicht mitgetragen und bezahlt wird. Auch in der Milchviehhaltung gibt es wenig Planungssicherheit, so dass auch hier von Investitionen abgesehen wird.

Heike Bremer antwortete auf die Nachfrage nach der Gewinndeckelung bei Biogasanlagen, dass es eine Konkurrenz zwischen Teller und Tank gebe, dass Biogasanlagen ja seinerzeit gefördert wurden und sich nun die Grünen aber dagegen entschieden hätten. Bremer hoffe hier für die Zukunft noch auf die Einsicht der Politiker. Sie missbilligte auch, dass die Städter den Blick für das Leben auf dem Land verloren hätten und dass sich die CDU-Politik weiter für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land einsetze.

Viele Probleme wurden diskutiert. Die politischen Entscheidungen für die Landwirte wurden als Trauerspiel bezeichnet und auch die geplanten Vorgaben der neuen EU-Agrarreform brächten neue Sorgen. Landwirt Klaus Kilian sagt dazu: „Wir wissen immer noch nicht, was wir dann dürfen.“ Dabei sein der Anbauplan für das nächste Jahr schon längst durch. Auch die Sache mit den Stilllegungspflichten sei doch ein Unding. Er habe Ackerflächen für Hektarpreise von 35 000€ vom Land gekauft. „Und das solle jetzt Unland sein und stillgelegt werden?“, fragt er provokativ in die Runde, ohne eine Antwort zu erwarten.

 

„Heute haben wir einen bunten Strauß von Problemen und Fragen diskutiert“, sagte Feuerstack zum Abschluss des Bauernfrühstücks. Nicht immer gab es einen Konsens. Die Fronten sind oft verhärtet. Man war sich aber einig, weiter im Gespräch zu bleiben, um Praxisprobleme direkt an die Politiker weiter zu geben.